Die Rolle der Endverbraucher im System der Zukunft Oder: "Was bedeutet das für mich?"
Die privaten Haushalte verursachen direkt etwa ein Drittel des Schweizer Energieverbrauchs. Der Bedarf betrifft hauptsächlich die Raumwärme (ca. 60+%) und die Warmwasserbereitung (ca. 15%). Elektrische Geräte für z.B. Licht, Kochen, Waschen oder Medien machen den Rest aus. Diese Aufteilung ist ähnlich wie im übrigen Europa (siehe Abbildung 10). Sie betrifft aber nur den direkten Energieverbrauch der Haushalte. Auch der restliche Energieverbrauch wird letztlich durch Endnachfrager definiert: einerseits durch den Energiebedarf für Mobilität und durch den Konsum von Gütern und Dienstleistungen.
Dementsprechend zahlen die Haushalte auch den grössten Teil der Energiekosten, entweder über Tarife (für Strom, Gas oder Fernwärme), mit der Heizölrechnung, an der Tankstelle oder indirekt über die Güterpreise für die ganze Energie, die in den Produkten enthalten ist. Weil Strom als Energieträger immer wichtiger wird, wird der Stromtarif ein wesentliches Mittel zur Finanzierung unserer zukünftigen Energieversorgung sein.
Abbildung 10: Energieverbrauch für verschiedene Haushaltszwecke im Jahr 2020 (Quelle: Eurostat)
In den kommenden Jahrzehnten braucht das Schweizer Energiesystem erhebliche Investitionen. So schätzen zum Beispiel der SWEET EDGE Renewable Energy Outlook für die Jahre 2020 bis 2035 jährliche Investitionen für den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung in der Grössenordnung von 100 CHF pro Kopf und Jahr. Gemäss Energieperspektiven 2050+ steigen die Investitionen langfristig weiter. Dabei geht es um den Ersatz stillgelegter Kernkraftwerke durch erneuerbare Energien, eine höhere Stromerzeugung zur Deckung der steigenden Nachfrage, Anpassungen des Stromnetzes und Investitionen in Batterien und andere Speicherkapazitäten.
Natürlich muss in jedem grossen System – wie dem Energiesystem – ohnehin laufend investiert werden. Das gilt umso mehr in der Schweiz, weil viele unserer grösseren Kraftwerke schon vor einigen Jahrzehnten gebaut wurden und unser System ausgebaut werden muss. Heute gehören erneuerbare Energien zu den preiswerteren Alternativen, wenn es darum geht, die künftige Stromversorgung zu sichern, und ihr Kostenvorteil nimmt im Zeitablauf eher zu.
Zudem machen Investitionen nur einen Teil der Gesamtkosten aus und Kosten pro Kopf sind nicht zu verwechseln mit der Energierechnung, die der Einzelne am Ende zu zahlen hat. Weil die künftigen Systemkosten noch unklar sind, lässt sich auch wenig über die Rechnung sagen, die die Verbraucher*innen werden zahlen müssen. Ein paar grundlegende Einsichten lassen sich aber aus Studien ableiten.
Viele Haushalte werden nur noch die Stromrechnung als Energiekosten habe
Teile der künftigen Stromrechnung sind auf die Elektrifizierung der Wärme (z.B. Wärmepumpen) und des Verkehrs (z.B. Elektroautos) zurückzuführen. Man darf die zukünftigen Ausgaben für Strom deshalb nicht einfach mit der heutigen Stromrechnung vergleichen, denn diese zukünftigen Ausgaben ersetzen wesentliche Teile der heutigen Ausgaben für fossile Treib- und Brennstoffe. Im Jahr 2021 gaben die Schweizer Haushalte 0.80% ihres Bruttoeinkommens für Strom aus, 0.37% fürs Heizen mit fossilen Brennstoffen oder Fernwärme und 1.16 % für Benzin und Diesel (BFS, 2023, siehe auch Utilitybidder für einen internationalen Vergleich von Energiekosten).
Obwohl die Kosten für einzelne Technologien im Laufe der Zeit sinken dürften (z.B. für PV-Module, Elektroautos usw.), ist noch unklar, wie sich die Kosten des veränderten Energiesystems entwickeln werden. Das hängt auch von der Wahl der Technologien und von den politischen Rahmenbedingungen ab. Je geringer der Spielraum für die Nutzung verschiedener Energiequellen ist, desto teurer wird es normalerweise, z.B. wenn die erlaubten Nettoimporte begrenzt werden oder manche erneuerbare Energien nicht genutzt werden können. Energiesysteme, die stark auf grünen Wasserstoff und synthetische Brennstoffe setzen, sind in der Regel teurer als mehr strombasierte Strategien, die sich vor allem auf Solar- und Wasserkraft stützen (siehe z. B. Panos et al., 2023).
Obschon in den nächsten Jahrzehnten viel investiert werden muss, gibt es auch Umstände, die für tiefere Energiekosten sprechen: 1) strombetriebene Systeme und Antriebe sind technisch effizienter als fossile Verbrennungsprozesse, 2) durch technischen Fortschritt, Lernvorteile und Kosteneinsparungen in der Massenproduktion kann im Zeitablauf mit deutlich tieferen Stromerzeugungskosten pro kWh für neue erneuerbare Energien gerechnet werden, 3) die Energieeffizienz verbessert sich auch im Endverbrauch (z.B. gehen die Energieperspektiven 2050+ in ihrem zentralen Szenario «ZERO Basis» davon aus, dass der Schweizer Gesamtenergieverbrauch zwischen 2019 und 2060 um 36% sinkt, obwohl die Wirtschaft im gleichen Zeitraum um 48% wächst, siehe auch Abbildung 3) und mit dem Wirtschaftswachstum werden viele von uns reicher, so dass der Anteil der Energieausgaben am Einkommen sinken könnte, selbst wenn die Energierechnung, absolut und inflationsbereinigt betrachtet, steigen sollte.
Mit anderen Worten: Wir können nicht vorhersagen, wie sich der Anteil der Energieausgaben für die Einwohner der Schweiz verändern wird. Während die Stromrechnung steigen könnte, lässt sich nicht sagen, ob die gesamten Ausgaben für Energie, d.h. für Strom, Treib- und Brennstoffe, höher oder tiefer sein werden als heute. Aufgrund der Reduktion von fossilen Treib- und Brennstoffen werden wir in jedem Fall weniger abhängig von den Schwankungen der Öl- und Gaspreise sein (vgl. Abbildung 11 und die europäischen Erdgaspreise im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine).
Mit den wetterabhängigen erneuerbaren Energien werden neue Stromtarifmodelle kommen
Die Stromerzeugung vieler erneuerbarer Energien hängt vom Wetter ab. Deshalb wird Flexibilität im künftigen Stromsystem immer wertvoller. Die Verbraucher*innen können zu dieser Flexibilität beitragen, indem sie die Stromnachfrage mit Hilfe «smarter» Geräte auf Zeiten verlagern, in denen die Grosshandelspreise am Strommarkt tiefer sind. Weil das dem Stromversorger Geld spart, werden solch flexible Kund*innen voraussichtlich ebenfalls davon profitieren. Dafür ist entscheidend, wem die Flexibilität gehört, und das werden wahrscheinlich die Verbraucher*innen sein (z.B. batteriegekoppelte PV-Anlagen, Wärmepumpen, Elektroautos). Sie werden also mit attraktiven Angeboten überzeugt werden müssen, wenn Versorger oder andere Energiedienstleister von der Flexibilität profitieren wollen. Versorger nutzen für solche Anreize normalerweise den Stromtarif.
Wahrscheinlich wird es für Haushalte möglich bleiben, sich gegen nachfrageseitige Flexibilitätsmassnahmen zu entscheiden, aber Verträge, die es dem Stromanbieter erlauben, die Flexibilität zu nutzen, werden Anreize in Form tieferer Stromtarife enthalten.
Die Erneuerbaren sind nur einer von vielen Gründen für veränderte Kosten
Die aktuellen Debatten drehen sich vor allem um den Ausbau der erneuerbaren Energien. Dabei ist die Wahl einer bestimmten Ausbaustrategie nur einer von vielen Aspekten, die sich auf die Kostenentwicklung auswirken – und es ist nicht einmal der entscheidende.
Die Entscheidung zugunsten erneuerbarer Energien hat viel mit dem klimabedingten Netto-Null-Ziel zu tun, denn es erfordert den schrittweisen Ausstieg aus den fossilen Treib- und Brennstoffen. Die Nutzung fossiler Brennstoffe wirkt sich auf die Umwelt und die Gesundheit aus. Das sind die so genannten externen Effekte. Diese verringern sich, je weniger wir auf fossile Treib- und Brennstoffe setzen, unabhängig davon, welche erneuerbaren Energien wir genau nutzen. Zum Beispiel schätzen Ecoplan (2022) die externen Kosten der Luftverschmutzung in der Schweiz durch die Wärmeerzeugung mit Heizöl auf 1.03 Rappen pro kWh im Jahr 2015 (zum Vergleich: die Heizölpreise lagen 2015 zwischen ca. 5.5 und 7.5 Rappen pro kWh). In dieser Schätzung sind die Auswirkungen des Klimawandels noch nicht einmal enthalten. Zwar gibt es keine Energieerzeugung ohne externe Kosten, aber diese sind bei Strom aus erneuerbaren Quellen deutlich geringer. Die weitere Elektrifizierung des Energiesystems wird also die externen Kosten senken, sofern vorwiegend erneuerbare Energien eingesetzt werden.
Der Stromverbrauch wird voraussichtlich steigen, was sich – unabhängig von der konkreten Ausbaustrategie – auf die Kosten auswirkt. Allerdings wird der Verbrauch auch davon abhängen, in welche Richtung sich gesellschaftliche Werte bewegen. Bekannt ist, dass sich diese im Laufe der Jahrzehnte ändern können, aber wie sie sich ändern, ist kaum vorherzusehen.
Kurz gesagt ist die Umgestaltung des Stromsystems Teil der umfassenderen Energiewende, die wiederum Teil des noch umfassenderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels zur Klimaneutralität ist.
Die Abstimmungen über das Klimagesetz von 2021 und 2023 haben gezeigt, dass die Verteilung von Kosten und Nutzen mit entscheidet über die Akzeptanz von Vorlagen und anderen Lösungsvorschlägen in der Schweiz.
Stromtarife werden auch weiterhin einen grossen Teil der Investitionen in die Energieinfrastruktur refinanzieren
Angesichts des erheblichen Investitionsbedarfs werden auch weiterhin grosse Investoren (Versorger, Pensionskassen und andere grössere Investoren) wesentliche Teile des dafür notwendigen Kapitals aufbringen, sei es aus Eigenkapital oder über Fremdfinanzierungen. Mit der dezentralen Erzeugung (z.B. PV-Dachanlagen) gehen aber auch kleine und mittlere Unternehmen sowie Haushalte unter die Energieinvestoren.
Wie bei jeder Investition erwarten die Investoren auch bei der Stromerzeugung eine Rendite. Bei Grossinvestitionen werden die Einnahmen hauptsächlich aus dem Stromverkauf kommen. Bei kleineren Investitionen spielen die eingesparten Stromkosten in der Wirtschaftlichkeitsrechnung eine wichtige Rolle. Folglich hängt die Höhe der Investitionen von den erwarteten Strompreisen oder den Tarifen ab, die die Investoren für ihren verbleibenden Strombezug zahlen. Bei einer Lebensdauer der meisten Anlagen von zwei Jahrzehnten oder mehr sind die Preiserwartungen über diesen Zeitraum ähnlich unsicher, wie wir es bereits für die zukünftigen Kosten aufgezeigt haben. Das Strompreisniveau in der Schweiz hängt dabei auch stark von den europäischen Entwicklungen ab.
Das Investitionsrisiko beeinflusst ebenfalls erheblich die Investitionsentscheidungen. Eine tiefere Risikobewertung erleichtert oft die externe Finanzierung und kann die externen Finanzierungskosten senken, wenn Banken tiefere Zinssätze anbieten. Vergleicht man die Finanzierungskosten für erneuerbare Energien in der Schweiz, sind diese beispielsweise derzeit bei kleinen Dachsolaranlagen am tiefsten (Dukan und Steffen, 2024) und für Windkraftanlagen – aufgrund des höheren Risikos – anderthalbmal höher. Für das zukünftige Strommarktdesign ist deshalb die Risikoverteilung zwischen Erzeugung, Versorgung und Verbrauch ein wichtiges Thema (siehe auch SCCER CREST 2018).
Eigentümer*innen haben mehr Möglichkeiten als Mieter*innen
Im Allgemeinen dürften Haus- und Wohnungseigentümer*innen gegenüber Mieter*innen im Vorteil sein, weil sie einfacher zu Prosumern werden können. Das bedeutet, dass sie nicht nur Strom beziehen, sondern zusätzlich erneuerbaren Strom selbst erzeugen. Prosumer und flexible Verbraucher*innen werden voraussichtlich von Anreizen der Versorgern profitieren, die an ihrer Flexibilität interessiert sind. Dazu braucht es allerdings Investitionen z.B. in PV-Anlagen, Batterien oder Smart-Home-Lösungen.
Gerade PV-Anlagen sind schon weit verbreitet. Ein Teil des erzeugten Stroms ist für den Eigenverbrauch bestimmt, aber da Erzeugungs- und Verbrauchsprofile nicht übereinstimmen, speisen Prosumer in der Regel auch Strom ins Netz ein und beziehen zu anderen Zeiten Strom vom Versorger. Batterien, ob stationär oder im Elektroauto, können dazu beitragen, die Eigenerzeugung der Prosumer besser auf ihr eigenes Stromverbrauchsprofil abzustimmen. Mit der zunehmenden Verbreitung von Photovoltaik, Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen werden Prosumer im künftigen Stromsystem zu einem wichtigen Faktor. Daraus ergibt sich eine neue Flexibilität, deren Nutzung neue Tarifmodelle erfordert.
Mieter*innen hingegen haben einen begrenzteren Handlungsspielraum. Zu einer durchdachten Energiewende gehören deshalb auch geeignete Bau- und Gebäudevorschriften, Tarifmodelle und Anreize für Vermieter*innen. Die Einbindung der Nachfrageseite durch «smarte» Lösungen ist eine wichtige Aufgabe des zukünftigen Strommarktdesigns. Deshalb wird in diesem Bereich intensiv geforscht, zum Beispiel zu neuartigen Kooperationsformen, Geschäftsmodellen und Anreizstrukturen.
Bund, Kantone und Gemeinden haben eigene Regelungen und Zuständigkeiten
In der Energiewende gibt es nicht nur Märkte, Investoren und Verbraucher, sondern auch die Politik mit ihren Gesetzen und Beziehungen zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen, also zwischen Gemeinden, Kantonen und dem Bund. Auf jeder dieser Ebenen können politische Massnahmen dazu führen, dass Steuerzahler*innen in Finanzströme eingebunden werden, die mit dem Schweizer Energiesystem zu tun haben, auch wenn die Verbraucher*innen den Grossteil der Kosten bezahlen.
Heute ist die Förderung erneuerbarer Energien auf Bund, Kantone und Gemeinden aufgeteilt (wobei auch einige private Organisationen Subventionen anbieten). Beispielsweise sind die Bestimmungen und Förderungen für die Photovoltaik eine Mischung aus Investitionszuschüssen des Bundes (BFE, 2024a) und einiger Kantone für verschiedene Anlagentypen, der Raumplanung auf kantonaler Ebene (Raumplanungsgesetze) und höchst unterschiedlichen Massnahmen auf kommunaler Ebene (Schmidt et al. 2023). Viele Investor*innen interessiert aber mehr, wie viel sie von ihrem lokalen Energieversorger für den eingespeisten Strom bekommen. Diese Einspeisevergütungen werden von den Energieversorgern festgelegt und variieren stark, von weniger als 4 Rp/kWh bis zu 25 Rp/kWh (VESE, 2024).
Auch für andere erneuerbare Energiequellen wie Biomasse, Windkraft, Wasserkraft und Geothermie gibt es Fördermittel.
Heute bemerken wir den Energieverbrauch, wenn wir das Auto betanken, Heizöl bestellen oder die Rechnung für netzgebundene Energieträger (Strom, Fernwärme oder Erdgas) bezahlen. Der Übergang zu einem stärker strombasierten Energiesystem wird unsere Wahrnehmung des Energieverbrauchs verändern.
Der private Treib- und Brennstoffverbrauch wird abnehmen, der netzgebundene Energieverbrauch dafür steigen
In einer von Netto-Null geprägten Energiezukunft werden die privaten Haushalte den Grossteil der Energie als Strom beziehen. Für viele von uns bedeutet das, dass wir kein Benzin oder Diesel mehr tanken oder Heizöl für den kommenden Winter bestellen werden. Stattdessen wird die Energie grösstenteils über Netze bereitgestellt und über einen Tarif bezahlt werden. Bei der netzgebundenen Energieversorgung neigen wir dazu, uns weniger Gedanken darüber zu machen, wie viel Energie wir gerade verbrauchen. Autofahrer*innen kennen normalerweise ungefähr den aktuellen Benzin- oder Dieselpreis und ihren Treibstoffverbrauch pro 100 km. Im Gegensatz dazu wissen die meisten von uns nicht, was uns eine kWh Strom, Fernwärme oder Erdgas kostet oder wie viele kWh unsere elektrischen Geräte verbrauchen, wenn sie eingeschaltet oder im Standby-Modus sind. Die Wahrnehmung des Energieverbrauchs ist deshalb ein wichtiger Aspekt, den es für eine erfolgreiche Energiewende zu erforschen gilt.
Flexible Stromnachfrage als Ergänzung zum erneuerbaren Energieangebot
Das Erzeugungsprofil der wetterabhängigen erneuerbaren Energien entspricht nicht unbedingt der Nachfrage. Das betrifft verschiedene Tageszeiten, wenn z.B. der Stromverbrauch nach Sonnenuntergang steigt, obwohl gerade dann die Photovoltaik nichts mehr liefert; oder verschiedene Tage bei sich ändernden Wetterbedingungen; oder verschiedene Jahreszeiten mit Unterschieden zwischen Sommer und Winter. Aus diesen Gründen werden die Grosshandelspreise für Strom voraussichtlich stärker schwanken, wenn wir auf erneuerbare Quellen setzen. Gleichzeitig werden Speicher und Flexibilität noch bedeutender für die Versorgungssicherheit. Ein Teil der Bereitstellung von Speichern und Flexibilität geschieht durch die Nachfrageseite, weshalb Stromverbraucher*innen eine aktivere Rolle in unserem Stromsystem übernehmen können. Diese Mitwirkung der Nachfrageseite durch neue Tarifmodelle anzuregen wird zuallererst eine Aufgabe für die Versorger sein, vermutlich aber auch der Schutz der Endverbraucher*innen vor kurz- und langfristigen Preisschwankungen.
Wirtschaftlich ist es auf jeden Fall sinnvoll, die Vorteile der nachfrageseitigen Flexibilität zu nutzen (Srinivasan et al., 2023). Heute sind es vor allem Grosskunden wie Industrieanlagen und andere stromintensive Betriebe, die diese Art von Flexibilität anbieten (über Verträge, die es dem Stromversorger gestatten, die Versorgung für eine vorher festgelegte Anzahl Stunden pro Jahr zu unterbrechen). Auch manche Haushalte und kleinere Unternehmen haben Hoch- und Niedertarife, die einen gewissen Anreiz für die Verschiebung bestimmter Verbräuche setzen. Darüber hinaus bieten manche Versorger günstigere Tarife für Wärmepumpenstrom an, wenn sie die Wärmepumpe zu Spitzenverbrauchszeiten abschalten dürfen. Es gibt sogar Schweizer Verteilnetzbetreiber, die ihren Kund*innen flexible Tarife anbieten, bei denen sich der Preis je nach Auslastung des Stromnetzes alle 15 Minuten ändert (Cuony, 2023). In der Schweiz müssen manche Regulierungen noch angepasst werden (z.B. bezüglich der Rolle von stationären und Fahrzeugbatterien), bevor das Flexibilitätspotenzial voll ausgeschöpft werden kann. Es ist aber zu erwarten, dass entsprechende Tarifmodelle immer häufiger zum Einsatz kommen.
Viele der vorgesehenen nachfrageseitigen Massnahmen sind so genannte «smarte» Lösungen. Dabei handelt es sich um Verfahren der automatischen Steuerung zur Optimierung der verschiedenen flexiblen Stromverbraucher (z.B. Batterie, Wärmepumpe, Klimaanlage, Kühlschrank). Es ist in der Regel nur dann interessant, die dazu nötigen Geräte und Steuerungen zu installieren, wenn entsprechende Tarifanreize bestehen. Auch bei «smarten» Lösungen bieten sich Eigentümer*innen mehr Möglichkeiten als Mietern*innen.